Rossenthin

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Gastwirtschaft Heidekrug von Ernst Lemke

Rossenthin / Rosciecino

(Amtsbezirk Garrin, Kirchspiel Garrin)

Daten Stand 1937
200 Einwohner, 43 Haushalte
Bürgermeister Theodor LÜPCKE, Pastor Siegfried BUBLITZ (Garrin), Standesbeamter Erich SCHULZ (Garrin), 1.Lehrer Paul KRAUSE
Vereine: Kriegerverein (Karl NAGORSKE)
Wohnplätze: Dasow, Kautzenberg / Bezpraw, Koppendieksgrund, Wasserwerk Rossenthin

Weitere Einwohner können dem Adressbuch des Kreises Kolberg-Körlin (1929) entnommen werden.


Originalzitat aus: „Der Kolberg-Körliner Kreis“ – Die Geschichte seiner Städte und Ortschaften von Johannes Courtois, Verlag und Druck Courtois Kolberg 1909

Rossenthin
Dorf an der Persante, 6 km oberhalb Kolbergs, mit 250 Einwohnern.
Seinen ursprünglich wendischen Namen, verdeutscht Heidedorf, verdankt es wohl seiner Lage unweit der einzigen Heide in der Gegend von Kolberg. Es ist eine uralte slawische Ansiedlung. Wahrscheinlich überschritt, oder vielmehr durchschritt hier der Weg, auf welchem die Polen yon Süden her Honig und andere Landesprodukte zum Tausch an die Küste brachten und sich das zum Leben so nötige Salz aus Kolberg holten, die Persante und führte dann weiter am rechten Persanteufer. Ganz nahe diesem Ufer in der Furt von Klix, wurden, ein Beweis des hohen Alters diese Ansiedlung, im Jahre 1865 einen halben Meter unter der Erdoberfläche eine aus drei Stücken zusammengesetzte Steinplatte gefunden, etwa 2 1/2m lang und 3/4m breit. Die einzelnen Teile zeigten noch keine Spur von Bearbeitung, paßten aber ganz genau aneinander. Unmittelbar um diese Platte lag viel Asche und Kohlen, so daß man sicher annehmen kann, daß auf diesem Steine die heidnischen Vorfahren ihre Toten verbrannten. Ihren Kirchhof oder vielmehr Begräbnisplatz hatten sie nicht allzu weit am sogenannten „Karberg“, rechts vom Wege nach Garrin, links von der Chaussee nach Kautzenberg, am Rande des Exerzierplatzes. Karberg heißt „Klageberg“ (Karfreitag – Klagefreitag) und manche Klage mag aus dem Heidenherz und -mund erklungen sein, wenn sie die Steinkistengräber dort zusammenschichteten, die Urnen dort einsetzten, welche man, mit Asche und wohlerhaltenen Knochen und Knochensplittern gefüllt, 1868 dort ausgegraben hat. Offenbar sind diese zwei Stätten Zeugen noch älterer Zeit, als die unweit der ersten Stätte im Torfmoor des Büdners Kaapke in der sog. Krugwiese im Jahre 1903 gefundene Urne. Die Urne selbst war in dem nassen Element ganz verwittert, aber sehr gut erhalten waren in ihr die verschiedensten bronzenen Schmucksachen, wie Ringe in Hufeisenform, größere und auch kleinere ganze Ringe, Armspiralen und Gürtel, alles wog 14 kg. Der Fund weist uns in das 6. – 7. Jahrhundert vor Christi Geburt zurück. Er ist für 550 Mark an das Provinzialmuseum in Stettin verkauft.
Am 15. September 1278 wird Rossenthin zum ersten Mal genannt. Der Bischof Hermannus zu Kammin schenkt das Dorf Jasde, Stoykow nebst einem Teil von Rossenthin dem Jungfrauen-Kloster zu Altstadt. Es waren dies 3 Haken-Hufen Acker, welche das Kloster 1336 für „65 Mark Vinkenaugen“ verkaufte. Der übrige Teil von Rossenthin gehörte in alten Zeiten denen von Ramel, welche es im Jahre 1302 für „100 Gulden schlechter Groschen“ an Konrad Witten und Konrad von Munster und Hintzen, 2 Bürger in Kolberg, verkauften. Diese Herren wollten aber mit ihren Grundstücken aus der geistlichen Gerichtsbarkeit entlassen sein; für 100 Mark ließ sie der Bischof frei. Später aber, als Konrad Witten Bürgermeister in Kolberg geworden war und sich nun Conradus Albinus nannte, stiftete er 1310 eine Vikarie, welcher er 1/4 von Rossenthin vermachte, und im Jahre 1314 trieb ihn die eifrige Sorgfalt für das Heil seiner Seele aufs neue an, einen Altar zu Ehren des heiligen Apostels Jacobi zu errichten, zu dessen Vikarie er abermals 1/4 von Rossenthin vermachte.
Bartholdus Albus (vielleicht ein Sohn des vorigen) folgte diesem Beispiel und vermachte sein Viertel von Rossenthin 1332 zum Altar St. Bartholomäi, und Heinrich Cifrid gab ebenfalls seinen vierten Anteil von Rossenthin in demselben Jahre zur Vikarie an den Altar St. Martini. So wurden die Altäre der Stadtkirche, doch wohl des Mariendoms, auch aus der Umgegend her mit Pfründen ausgestattet. Wie die Inhaber diese Einkünfte benutzen, zeigt eine Bemerkung eines späteren Geschichtsschreibers: „Dem Dekan Ludowicus Graf von Eberstein waren zwar die Einkünfte des Dekanants anständig, aber nicht die Geschäfte, deswegen er das hiesige Kapitel (den zum Kolberger Mariendom gehörenden Bezirk, in dem er Seelsorge treiben sollte) mit seiner Gegenwart nie beehrte. Er ordnete daher Otto Manow zum Vize-Dekane und residierenden Kapitularo an seine Stelle, dem er einen gewissen Anteil der Dekanats-Gefälle angewiesen hatte.“
Dieser Herr Manow nebst dem Kantor Freder erteilte im Jahre 1547 dem Kupferschmied Kridewitten die Freiheit, auf dem Rossenthin’schen Felde eine Kupfermühle, einen Kupferhammer anzulegen, in welcher durch die Kraft des aus dem Seefelder See und dem nördlich von Garrin fließenden Wollbeek, dessen Bett ja noch unweit der Garrin-Rossenthiner Grenze ist, fließenden Wassers ein oder mehrere Hammer zur Bearbeitung des Kupfers getrieben werden sollte. Wie lange diese Kupfermühle bestanden hat, weiß ich nicht, ihr Name aber besteht noch in dem Kopperdiks Grund zwischen Exerzierplatz und Papenwiese, nach scherzender Aussage der Herrn vom Militär „einer der wichtigsten strategischen Punkte Pommerns“. Daß die Mühle nicht in das Reich der Märchen und Sagen gehört, beweisen die noch heute vorhandenen Reste der Spundpfähle und des Walles vom Mühlenteiche.
Die Anhöhe im Westen neben diesem Grunde gehörte in alten Zeiten zur Pfarre in Garrin. Da diese 40 Morgen Land aber nur sehr wenig Pacht brachten, überließen die Pfarrherrn das Land den Rossenthiner Bauern, die es nun pro Morgen 400 Mark an die Stadt zur Anlage der Wasserleitung verkauft haben. Die Anhöhe im Osten jenes kühlen Grundes, jetzt schön bewaldet, wurde von den Russen bei einer Belagerung Kolbergs im 7jährigen Kriege zur Anlegung von Schanzen benutzt, die jetzt noch vorhanden und im Volksmund als Russenschanzen bekannt sind. Von dieser Anhöhe herab fuhr in der Richtung auf die Persante zu einmal ein Fuhrwerk mit Kartoffeln beladen, kam aber so in Zug, daß es über den Querweg fuhr und den haushohen Abhang zur tiefreißenden Persante hinabgestürzt wäre, wenn nicht Mann, Roß und Wagen hinter den Bäumen hängen geblieben wären. Die Partie zwischen Kopperdiksgrund und Papenwiese gehört wegen der hohen, steil zur ganz nahe fließenden Persante abfallenden bewaldeten Ufer, von denen man eine schöne weite Aussicht bis nach Kolberg hat, zu den schönsten Teilen des Persantetales.
Aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert ist uns nichts Erwähnenswertes überliefert. Im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts und bis in die neueste Zeit hinein ist Rossenthin durch seinen Exerzierplatz nicht nur von Soldaten, die dort manche Schweißtropfen vergossen, sondern auch durch die Führer derselben, welche dort beraten, deutsche Truppen zum Siege führen, weit bekannt geworden. Die Weitsichtigkeit des langjährigen Stadtoberhauptes, Bürgermeister Kummert, verbunden mit der intelligenten Willigkeit der Stadtväter kauften immer mehr Land an in Rossenthin, teils um den Truppen einen vorzüglichen welligen staubfreien Übungsplatz zu schaffen, teils um das noch größere Bedürfnis der Stadt Kolberg nach einwandfreiem Wasser zu befriedigen. Solch tadelloses Wasser hatten früher einzelne Rossenthiner Bauern in Tonnen nach Kolberg gefahren und dort für 5-10 Pfennig pro Maß oder Liter verkauft, eine überaus bequeme Art, Geld zu erwerben. Als aber die Stadt feststellte, daß am Rande der Rossenthiner Anhöhe eine große Wassermasse zu Tage trete, die auf den Anhöhen zwischen Nessin und Garrin unter eine mindestens 10 Meter starke undurchlässige Lehmschicht fließt und durch ganz reinen Kies als den besten Naturfilter bis an die Persante hin gereinigt ist, wurde das Gelände von der Stadt den einzelnen Besitzern abgekauft, die erforderlichen Brunnen gebohrt, oft unter großen Schwierigkeiten, doch wurden selbst in 30-40 Meter Tiefe große Feldsteine mit Dynamitpatronen gesprengt, das Maschinenhaus erst an falscher, dann an richtiger Stelle erbaut, das Maschinisten-Wohnhaus für 2 Familien sehr praktisch, gesund und dauerhaft erbaut, die Leitungsrohre durch den Exerzierplatz, die Chaussee entlang gelegt, und die Pumperei ging los am 1. Januar 1906 und lieferte ein vorzügliches Trinkwasser in großer Masse in die Stadt. Die außerordentlich praktisch angelegten Pumpwerke, die auch wegen ihrer ungeheuer geringen Kosten für Heizung usw. bewundernswert sind, bilden eine Sehenswürdigkeit von Rossenthin, deren Besichtigung jedem dringend zu empfehlen ist.
Immer mehr hat sich nun die Stadt in Rossenthin eingenistet: 1905 kaufte sie den Ollhoff’schen Bauernhof für 70 000 Mark, 1906 den Hof von Ferdinand Busch für 90 000 Mark und außerdem verschiedene größere und kleinere Parzellen anderer Grundstücke. Das Land ist teils zur Vergrößerung des Exerzierplatzes verwendet, teils verpachtet und bringt der recht hohe Pachtbetrag weit mehr als die Zinsen ein, während die Erlöse für Kies und dergleichen die Kaufgelder allmählich, aber sicher bezahlen. Auch die angekauften Waldbestände würden eine sichere Einnahmequelle der Stadt bieten, sind doch einige 30-40jährige Bestände an der Garriner Grenze von hervorragender Quantität und Qualität des Holzes; aber im Sommer 1907 und 1908 ist die Nonne in solchen Massen verheerend aufgetreten, daß die von der Stadt aufgebotenen Hunderte von Soldaten und die von Garrin herangeführten Scharen von Schülern, trotzdem sie ganze Berge des ekelhaften Gewürms im Feuer verbrennen konnten, doch nichts Wesentliches geschafft haben und ein mindestens teilweises Eingehen der Waldung in Aussicht steht.
Doch nicht mit diesem trüben Bilde nehmen wir Abschied von diesem Orte, sondern gedenken seiner als eines für die vielen Kolberger, Zivil und Militär, sehr interessanten, ja wichtigen Ortes, der aus der grauen Vorzeit in eine gute Zukunft hoffnungsvoll hinausblickt.


RossenthinMap


Dorfstraße in Rossenthin


Bauernhaus in Rossenthin (Gemälde von Carl Duncker aus dem Buch von M. Vollack)


Tote des Kirchspiels Garrin von 11.1945 bis 03.1952 (Quelle: Kolberger Zeitung)


Quelle: Kolberger Zeitung, Ausgabe 7-8/1974

Quelle: Kolberger Zeitung, Ausgabe 07-08/1974

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